Bald schon hatte auch ich mit etwas Übung und anfänglichen Flugschwierigkeiten einigermaßen den Bogen raus und segelte ruhig neben Raviel her, durch die Luft. Die großen, schwarzen Flügel fingen den Wind gut ein und so reichte es, wenn ich vereinzelt mit den Flügeln schlug, um mich in der Höhe zu halten. Noch immer konnte ich es nicht glauben das ich tatsächlich und wahrhaftig flog, wie ein Vogel. Es war etwas, von dem ich dachte, es wäre mir verwehrt und so genoss ich dieses Gefühl der schier grenzenlosen Freiheit nur noch mehr. Fünf Stunden bis nach Las Vegas...
Bisher hatte mein unsterblicher Körper keine Spur von Erschöpfung oder Anstrengung verspürt,
weswegen es wohl auch keinerlei Probleme geben sollte und sollte mich doch die Kraft verlassen...
Mein Blick wanderte zu Raviel. Er wüsste sicherlich eine Lösung, so wie er auch eine Lösung für diesen Fluch zu kennen schien. Oder zumindest den Ansatz einer Lösung - einen Anhaltspunkt.
Hoffnung. "Las Vegas... ich kann es nicht glauben. Wir fliegen wirklich nach Las Vegas!", platzte ich aufgeregt hervor und flog in einem gewagten Looping um Raviel herum, ehe meine Nase ein feiner, köstlicher Geruch erreichte. Frisches, menschliches Blut. Schlagartig verflog die freudige Aufregung
über das Unbekannte, pure Leben der Großstadt und wich dem immerzu hungrigen und nach Blut lechzenden Jäger, durch den Fluch grausamer und stärker denn je zuvor. Meine Augen glühten auf und langsam senkte ich mich weiter hinab. Meine Sinne waren geschärft. Ich konnte in der Ferne leise das Dröhnen eines Autos vernehmen, wie es über die einsame Landstraße fuhr, im Wald unter mir das Singen eines Uhus und Rascheln im Unterholz. Nicht weit entfernt befand sich ein Dorf und in der nähe eben dessen... das Weinen eines Kindes.